Wie gelingt Veränderung?
Der Umgang mit Neuem findet in Gruppen statt

Der Umgang mit Neuem findet in Gruppen statt. Gruppen sind Teile von Organisationen, haben aber ihre Eigenlogik. Sie orientieren sich beispielsweise primär eher an gruppeninternen Motiven, wie soziale Verträglichkeit von Aktivitäten als beispielsweise an den Ertragserwartungen von Organisationen. Organisationen könne daher nicht als eine Summe von Gruppen betrachtet werden. Dennoch finden entscheidende Prozesse in Organisationen in Gruppen und zwischen Gruppen statt. Deshalb ist es unerlässlich, die Gruppe in den Blick zu nehmen, da sich dort der Umgang mit Neuem abspielt.  Die Gruppe ist gewissermaßen ein, möglicherweise das entscheidende Einfallstor für Innovationen. Sei es, indem das Neue dort generiert wird oder dort aus der Umwelt des Systems aufgenommen, umgeformt und für viele Teile der Organisation handhabbar gemacht wird.

An dieser Stelle setze ich den „Dialog“ als Methode und als Haltung an. Meine Grundüberzeugung ist, dass der Prozess des „Generierens“ kollektiver Intelligenz nur dann erfolgreich ablaufen kann, wenn es den betroffenen Gruppen gelingt, ein Klima zu schaffen, in dem tatsächlich etwas Neues entsteht, was die Leistungsfähigkeit des einzelnen übersteigt. Mithin die Gruppe ein höheres Intelligenzniveau aufweist als die beteiligten Einzelpersonen. Das kann darin bestehen, dass die Analyse einer komplexen Situation für alle Beteiligten neue Aspekt erbringt, die von den Einzelnen nicht in Ihrer Vollständigkeit erfasst werden konnten und die als Grundlage dienen für intelligentes organisationales Anschlusshandeln. Wie sieht also der Gruppenprozess aus, der perspektivisch zu einer höheren kollektiven Intelligenz in der Gruppe führt?

Meine Erfahrungen mit Gruppen zeigt mir seit vielen Jahren, dass Menschen ein intuitives Wissen über dialogorientierte Interaktion haben. Aber: Kollektives Denken muss geübt werden, so dass ich gern Großgruppen Konferenzen und Dialogrunden mit anschließenden Reflexionsschleifen empfehle. Die Themenfindung für die Dialogrunden kann in vielfältiger Weise stattfinden.  Die Ausgangsfragestellung lautet dabei immer: welche Herausforderungen will ich mit anderen in intensiven Gesprächen erkunden um dadurch neue Erkenntnisse und Lösungen zu gewinnen?

Es geht darum, in der Gruppe den Dialog initiieren. Die Relevanz eines Themas ist mitentscheidend für die Entstehung eines Gesprächsfeldes, das die Aufmerksamkeit und die Konzentration der Gruppe derart bündelt, dass neue Gedanken und Erkenntnisse entstehen können.

In der Regel erleben die Mitwirkenden in den ersten Dialogen, wie die Verteidigung des individualistischen Denkens die Entstehung neuer Erkenntnisse verhindert. Nur ein Teil der Gruppe ist engagiert, andere lehnen sich zurück und schweigen. Gespräche „plätschern“ dahin und Unzufriedenheiten entstehen. Durch die Reflexionsprozesse lernen die Mitwirkenden, die Phasen und Krisen im Dialog zu erkennen und durch ihr Interaktions­verhalten konstruktiv zu beeinflussen. Die Beteiligten lernen, sich aufeinander zu beziehen, zu sagen, was wirklich wichtig ist, zuhören, sich ineinander hineinversetzen zu können, nachzufragen, respektvoll herauszufordern, Bewertungen auszusetzen, Themen in der Schwebe zu halten sowie den inhaltlichen und gruppendynamischen Prozess wahrzunehmen und gegebenenfalls zu intervenieren.

Erst mit fortgeschrittenem Üben entstehen vertiefende, anregende und wissensgenerierende Interaktionen. Das Entscheidende ist die flexible Übernahme der Handlungsrollen, die Fähigkeit, die strukturellen Dynamiken zu erkennen und konstruktiv zu beeinflussen, die Balance zwischen Erkunden und Plädieren und die Fähigkeit, Pausen und Stille als Raum begreifen zu können, in dem Neues entstehen kann. Die Wahrnehmung für die eigenen Gedanken und Gefühle sowie für andere Personen nimmt zu. Der überflüssige Lärm, das unnütze Gerede verschwindet.

Es kann ein gemeinsames Bild über die Gegenwart entstehen, das sowohl verschiedene Perspektiven beinhaltet aus auch die Grenzen der jeweiligen Sichtweise verdeutlicht. Es hilft, die Vergangenheit zu analysieren, um die Zukunft zu planen. Die Wurzeln von komplexen und chronischen Problemen können identifiziert werden und sorgfältig eruierte und abgestimmte Problemlösungen können auf den Weg gebracht werden.

Das Ausbalancieren von kurzfristigen und langfristigen Perspektiven wird möglich.

Neue Einsichten und Aussichten sind unvermeidlich.

Ihre Marion Kramer