Wie gelingt Veränderung?
Im Dialog Neues wagen und Nachhaltigkeit erzeugen

Wir leben in einer ereignis- und handlungsorientierten Gesellschaft. Wir neigen dazu, uns eher auf Ereignisse/Handlungen zu konzentrieren als über Wirkungszusammenhänge nachzudenken oder herauszufinden, wie die Ereignisse in ein größeres Muster passen. Indem wir unseren Fokus auf einzelne Ereignisse und Handlungen richten, verbleiben wir in einem reaktiven Modus. Wir sind nicht in der Lage, die Ereignisse zu antizipieren oder sie zu formen. Lösungen und Entscheidungen, die auf dem Ereignislevel gewählt werden, sind tendenziell kurzlebig. Vor allen Dingen verändern diese Lösungen und Entscheidungen in keiner Weise die fundamentalen Strukturen, die das Ereignis verursacht haben.

Lernprozesse setzen in der Regel erst ein, wenn Menschen in der Lage sind, Muster zu identifizieren. Der nächste Schritt ist das Erkennen der darunter liegenden schwer erfassbaren Strukturen, die dazu führen, dass diese oder jene Handlung ausgeführt wird. Indem die Wirkungszusammenhänge deutlich werden, wird es einfacher wirkungsvollere Interventionen zu finden. Unsere Fähigkeit, die Zukunft zu beeinflussen, steigt, wenn wir uns von dem ereignisorientierten Denken über das musterorientierte Denken zum strukturorientierten Denken bewegen.  

Organisationen bestehen zu einem großen Teil aus Gruppen. Dieser Umstand ist schon früh gesehen worden. Die klassische Organisationsentwicklung hat sich vorwiegend des Einfalltors Gruppe bedient, um Veränderungen in Organisationen anzuzielen. Aus der spezifischen historischen Situation ist das der Ansatz der Gruppendynamik und der damit verbundene Ansatz der Trainingsgruppe unterliegt dem Paradigma des herrschaftsfreien Dialogs. Die modernere Richtung des Dialogs zeichnet diesen Entwicklungsweg nach. Auch diese Richtung orientiert sich am Paradigma des herrschaftsfreien Dialogs, ohne sich einige Geburtsfehler der Gruppendynamik wie die sehr autoritäre Haltung des Gruppendynamik-Trainers oder die überragende Bedeutung, die dem Konzept des Widerstands zugemessen wurde, zu übernehmen.

Zwei wesentliche Dinge sind in Wandelprozessen zu beachten: Zum einen ist ein entsprechender Transfer zu gewährleisten, in dem man das Umfeld mit einbindet  Noch besser ist es, das Ganze von vorne herein als Prozessarchitektur anzulegen, die sich eines Veränderungsthemas annimmt und die Praxis des Dialogs, quasi bei laufendem Motor und in die entscheidenden inhaltlichen Prozessen einflicht. Zum anderen gilt es, die Haltungen, Techniken und Erkenntnisse des Dialogs zur Anwendung zu bringen in organisatorisch vordefinierten und häufig auch hierarchisch definierten Situationen.

Es muss also darum gehen die zwei Prinzipien Hierarchie und Dialog so miteinander zu verweben, dass es zu einer Win-Win -Situation für alle Beteiligten kommt.  Jede Gruppe hat immer wiederkehrende Stadien zu durchlaufen und ähnliche Probleme auf dem Wege zu einer Hochleistungsgruppe zu durchlaufen. Diese Regelmäßigkeiten erlauben es, ein Phasenmodell des Dialogs zu entwickeln. Dieses Modell hat der Begründer des Dialogs, Bill Isaacs, entwickelt.

Was geht vor sich? Wie fühlt es sich an?

Verwirrung über den Kontext, wie man sich beteiligen kann. Fragen nach Sicherheit. Mitglieder hören auf verschiedenen „Stationen“. Missverständnisse aufgrund der Terminologie. Kluft wegen nicht ausgedrückter Unterschiede. Instabilität des dialogischen Raums
I.
Höflichkeit und Ausprobieren.
Die Gruppe ahnt, dass sie den Dialog nicht erzwingen kann.
Zusammenstoßen von Denkrastern und zugrundeliegenden Glaubensrichtungen. Ergreifen von neuen Wegen. Undiskutierbares kommt an die Oberfläche. Schwanken zwischen Verteidigen und in der Schwebe halten von Meinungen. Herausforderungen für Facilitator. Instabilität im dialogischen Raum II. Die Gruppe beginnt zu erkennen, dass kein Standpunkt alle Wahrheiten beinhaltet.
Größere Sicherheit, die wahren Gedanken und Gefühle öffentlich auszudrücken. Themen und Fragen werden von verschiedenen Perspektiven aus beleuchtet. Verstehen der Unterschiede. Tieferes Erkunden der Bedeutungs-zusammenhänge. „Heilige Kühe“ bringen regressive Tendenzen an die Oberfläche Erkundung im
dialogischen Raum III.
Die Gruppe beginnt zu sehen, wie ihr kollektives Denken, ihre Auswahlentscheidungen und ihre Handlungen schmerzhafte Fragmentierungen und Separatismen hervorrufen.
Volles Engagement im Augenblick. Zusammenhängender Fluss der Bedeutungen entsteht. Gemeinsames Denken und Erschaffen. Klareres Bewusstsein vom Ganzen. Kreativität im
dialogischen Raum IV.
Die Gruppe erfährt die Energie und das frische Denken und Fühlen.

Übersetzt nach W. Isaacs, 2002

In einer Organisation, die in der Lage ist, sich auf diese Form der Wissensgenerierung einzulassen, die bereit und fähig ist, ihre Unterschiede, ihre mentalen Modelle und ihre Überzeugungen zu veröffentlichen und zu reflektieren ergeben sich neue Perspektiven des Wandels. Innovationen werden möglicher, Handlungsoptionen vervielfachen sich und die Anpassungsfähigkeit der Einzelnen und der Organisation an ein dynamisches Umfeld erhöht sich.

Es kann ein gemeinsames Bild über die Gegenwart entstehen, das sowohl verschiedene Perspektiven beinhaltet aus auch die Grenzen der jeweiligen Sichtweise verdeutlicht. Es hilft, die Vergangenheit zu analysieren, um die Zukunft zu planen. Die Wurzeln von komplexen und chronischen Problemen können identifiziert werden und sorgfältig eruierte und abgestimmte Problemlösungen können auf den Weg gebracht werden.

Neue Einsichten und Aussichten sind unvermeidlich.

Ihre Marion Kramer